Klage wegen Schlamm?
Nassauische Neue Presse
13.06.2012, http://www.fnp.de, rok
Aumenauer Bahnhofseigentümer Städtgen sieht Uni Gießen in der Pflicht
Die "Schlammschlacht" am Aumenauer Bahnhof wird voraussichtlich ein juristisches Nachspiel haben. Eigentümer Andreas Städtgen erwägt eine Klage, nachdem die Justus-Liebig-Universität Gießen ihm nun schriftlich mitgeteilt hat, dass sie den entstandenen Sachschaden von 30 000 bis 50 000 Euro an seinem Besitz nicht übernehmen wird.
Foto: KIöppel
Ein starkes Gefälle hat dieses Feld des Lehrbetriebes "Gladbacher Hof" der Uni Gießen: Ob hier die Ursache für Schlammlawinen im Mai liegt, ist allerdings noch unklar.
Villmar-Aumenau. Am 11. und 23. Mai war Städtgens Grundstück im Gewitterregen von Schlammassen, die vom Hang in Richtung Münster über die Straße herunterrollten, überflutet worden. Das Wasser hatte bis zu 90 Zentimeter hoch in Städtgens Keller gestanden. Auch die Straße zwischen Aumenau und Villmar war stark verunreinigt worden (wir berichteten). Städtgen hatte den Verlauf der Schlammlawine nach oben zurückverfolgt und den Lehrbetrieb der Uni Gießen als möglichen Verursacher ermittelt.
Die Uni Gießen bestreitet dies und sieht sich nicht verpflichtet, ihr Gelände stärker zu sichern oder gar Städtgens Schaden zu übernehmen. Der Bahnhofsbesitzer kündigte unterdessen an, dass er sich jetzt einen Rechtsanwalt nehmen wird. Denn von sich aus wird die Uni Gießen ihm keinen Cent überweisen. In einem Brief der Rechtsabteilung der Uni an den Geschädigten, der dieser Zeitung vorliegt, wird erklärt, dass der Verursacher nicht der Lehrbetrieb sei, sondern die Wassermassen von weiter oben aus Richtung Wald und Kreisstraße Richtung Münster nach extrem hohem Niederschlag auf die Flächen des Betriebs gelangt seien. Auch gebe es durch die bloße landwirtschaftliche Nutzung eines Grundstückes keine Verkehrssicherungspflicht. Außerdem scheide ein Schadensersatzanspruch aus, wenn die von einem Grundstück ausgehenden Beeinträchtigungen ausschließlich auf das Wirken von Naturkräften zurückzuführen seien. Die Uni vertritt außerdem die Auffassung, dass von ihr nicht verlangt werden könne, dass sie als Eigentümerin Maßnahmen zum Schutz der angrenzenden Nachbarn ergreife. Im konkreten Fall grenze das Grundstück Städtgens ja nicht einmal direkt an die Flächen des Lehrbetriebes an, sondern sei von diesem noch durch Wald und eine Straße getrennt.
"Schlag ins Gesicht"
Die Felder des Lehrbetriebes würden fachgerecht bewirtschaftet. Dass der Boden dafür bearbeitet wird und sich durch Änderung der Fruchtfolgen die Bodenoberflächenbeschaffenheit ändern kann, sei hinzunehmen. Das Fazit der Rechtsabteilung: "Wild abfließendes Niederschlagswasser, das von höher gelegenen Grundstücken auf Nachbargrundstücke gelangt, ist keine der Justus-Liebig-Universität Gießen zuzurechnende Eigentumsbeeinträchtigung, sondern als Wirkung von Naturkräften von den betreffenden Nachbarn hinzunehmen." Städtgen habe vor dem Kauf des Grundstückes gewusst, dass Wasser bei starkem Regen von oben nach unten fließen könne.
Städtgen hält das Schreiben der Rechtsabteilung für einen "Schlag ins Gesicht für jeden, der verantwortungsbewusst handelt". Denn nicht nur er selbst sei geschädigt worden. Weitere Schäden seien an Kanal und Straße entstanden; der Einsatz der Villmarer Feuerwehrleute habe ebenfalls Geld gekostet. Fabian Buchhofer, Bauamtsleiter des Marktfleckens Villmar, geht von Kosten von 15 000 bis 20 000 Euro aus, die der Gemeinde durch den Einsatz der Einsatzabteilungen der Wehren Aumenau und Villmar und des gemeindlichen Bauhofes entstanden seien. Für den Einsatz auf der Landesstraße werde er das Geld dem Land Hessen in Rechnung stellen. Er habe dies dem Amt für Straßen- und Verkehrswesen bereits angekündigt, aber von dort noch keine Rückmeldung erhalten. Der Marktflecken Villmar wolle künftig mit landwirtschaftlichen Betrieben kooperieren, um ähnliche Fälle zu vermeiden. Allerdings sei im konkreten Fall die Niederschlagsmenge so extrem hoch gewesen, dass möglicherweise die Schlammlawine auch durch eine andere Bodenbeschaffenheit oder noch stärkere Absicherungsmaßnahmen nicht zu verhindern gewesen wäre, so Buchhofer.(rok)